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Zwingende Vorschriften bei der Ausführung von Fundamenterdern ?
DIN 18014, Ziff. 4.1.1
Die Bedeutung von Soll-Vorschriften

 
von
Joseph Schnitzler, Rechtsanwalt, Köln
 

 Abhandlung

"Bei Gebäuden mit größerem Umfang sollte /1/ die vom Fundamenterder umspannte Fläche durch Querverbindungen in Felder von etwa zwanzig Meter mal zwanzig Meter aufgeteilt werden."
/2/ So lautet Ziff. 4.1.1, Satz 2, DIN 18014 (Fundamenterder).
Es stellt sich die Frage, ob von dieser Vorschrift abgewichen werden darf oder ob sie zwingend einzuhalten ist.
Um sich dem Thema zu nähern, bedarf es der Auslegung des Gesamttextes von Ziff. 4.1.1 DIN 18014. Zunächst sind beide Sätze der Vorschrift isoliert zu betrachten. In Satz 1 /2/ heißt es: "Ist (...) anzuordnen." Nach dem wohl allgemein anerkannten Sprachverständnis werden "müssen" und "ist" nicht nur sinnähnlich, sondern gleichbedeutend verwendet. Danach ist das Hilfsverb "müssen" dahingehend zu verstehen, daß unter bestimmten Voraussetzungen immer nur eine Folge des Tuns oder Unterlassens in Betracht kommt. Bezogen auf Ziff. 4.1.1, Satz 1, DIN 18014 bedeutet dieses: immer dann, wenn ein Fundamenterder im Sinne der Ziff. 2.1 DIN 18014 errichtet wird, ist dieser als geschlossener Ring auszuführen und (...) anzuordnen.

Im Satz 2 heißt es dagegen: "(...) sollte (...) aufgeteilt werden."

Es kann zunächst dahinstehen, weshalb in Satz 2 "sollen" im Konjunktiv (Möglichkeitsform) verwendet worden ist. Deutlich wird, daß durch die Verwendung zwei verschiedener Hilfsverben ein Unterschied zum Ausdruck gebracht werden soll.

Ziff. 4.1.1, Satz 1, DIN 18014 hat stets zwingenden Charakter. Angesichts dessen, daß "sollen" das Minus gegenüber "müssen" ist, wird deutlich, daß bei der Verwendung des Hilfsverbs "sollen" nicht nur die Handlungsweisen in Betracht kommen, die die DIN-Vorschrift vorgibt, sondern auch andere denkbar sind.

Wenn der Normgeber in einer einzigen Ziffer die Hilfsverben "müssen" und "sollen" verwendet, dann ist davon auszugehen, daß "sollen" nicht als zwingend zu verstehen ist. Normen stellen nämlich keine literarischen Texte oder Deutschaufsätze dar, in denen Wiederholungen verpönt sind. Durch die Verwendung unterschiedlicher Begriffe sollen in Normen auch unterschiedliche Sachverhalte beschrieben werden.

Wenn Ausnahmen von dem vorgesehenen Regelfall im Fall der Verwendung des Hilfsverbs "sollen" denkbar sind, dann bedeutet dieses nicht, daß der Normanwender ein freies Ermessen hat. Hätte der Normgeber dieses gewollt, dann hätte er - anstatt "sollen" - "können" verwendet. Im allgemeinsprachlichen Sinn bedeutet "können" nämlich, daß sich der Betroffene für eine von verschiedenen Handlungsvarianten entscheiden kann.

Der Begriff "sollen" ist jedoch zu präzisieren. An dieser Stelle hilft es nicht weiter, den Begriff im allgemeinsprachlichen Sinn zu verstehen, wird er dort nämlich meistens als zwingend verstanden.

Da eine DIN-Norm auszulegen ist, muß zunächst auf die Interpretationshilfen zurück gegriffen werden, die sich aus DIN 820-2 (Normungsarbeit, Gestaltung von Normen) in der Fassung von September 1996 ergeben.
Unter C 4 /3/ heißt es dort, "sollen" stehe in der deutschen Umgangssprache zwischen "müssen" und "sollten". Das verstehe, wer will. Daraus folgend ergibt sich aus der Tabelle C 2 /4/ , daß "sollen" im Konjunktiv im Sinne von Empfehlung verwendet werden soll. Daran anschließend werden in dieser Tabelle für "sollten" folgende Ausdrücke verwendet:
  1. ist nach Möglichkeit
  2. es wird empfohlen
  3. ist in der Regel
  4. ist im Allgemeinen,
die als gleichbedeutend bezeichnet werden. Betrachtet man zum Beispiel die Begriffe zu a) und zu c), so wird deutlich, daß diese nicht gleichbedeutend sind. "Nach Möglichkeit" ist nämlich dahingehend zu verstehen, daß dann etwas zu tun oder zu unterlassen ist, wenn die vorgegebene Situation ein entsprechendes Handeln zuläßt (es ermöglicht). Währenddessen "in der Regel" einen anderen Spielraum zuläßt, der nicht nur an die vorhandenen tatsächlichen Bedingungen anknüpft, sondern auch andere technische Lösungen bei gleicher Ausgangssituation zuläßt. Im ersten Fall, a) "ist nach Möglichkeit", darf also nur von der Norm abgewichen werden, wenn die Ausgangssituation es zuläßt, daß die Norm nicht erfüllt wird. Im anderen Fall, c) "ist in der Regel", darf auch dann davon abgewichen werden, wenn es eine andere, gleichwertige Lösung gibt.

Wenn aber a) und c) ungleiche Begriffe sind, dann können a), b), c) und d) nicht als gleichbedeutend mit "sollten" betrachtet werden, so wie dieses in der Tabelle C 2, DIN 820-2 vorgesehen ist.

Insofern ist die Tabelle C 2, DIN 820-2 für die Auslegung nicht unbedingt hilfreich. Gleichwohl darf nicht verkannt werden, daß DIN 820-2 ein Instrument darstellt, DIN-Vorschriften auszulegen.

Ergänzend soll deswegen das juristische Auslegungsinstrumentarium herangezogen werden.

DIN-Normen sind keine Gesetze; sie haben lediglich beschreibenden Charakter. Daher sind die juristischen Methoden als Instrumente nur zurückhaltend anzuwenden. Da jedoch lediglich eine Auslegung des Wortlautes bzw. eine grammatikalische erforderlich ist, dürfen die Erkenntnisse der Rechtswissenschaften herangezogen werden.

Die Hilfsverben "müssen", "sollen" und "können" werden vornehmlich im Verwaltungsrecht verwendet. Nach der anerkannten Auslegung steht eine "Soll"-Vorschrift zwischen einer "Muß"- und einer "Kann"-Bestimmung. Die feingliedrige Unterscheidung der Verwendung von Indikativ- oder Konjunktivform des Hilfsverbs "sollen" wird nicht vorgenommen. Auf einen knappen, aber richtigen Nenner gebracht, bedeutet nach der ständigen Rechtsprechung und der herrschenden Meinung in der juristischen Literatur eine "Soll"-Vorschrift in der Regel eine Verpflichtung, von der nur in Ausnahmefällen, in atypischen Situationen, abgewichen werden kann. /5/

Atypisch sind insbesondere die Sachverhalte, die zwar vom abstrakten Rahmen des Gesetzes, nicht aber von seiner Zweckbestimmung erfaßt werden; die Abweichung vom Geschehensablauf muß so bedeutsam sein, daß jedenfalls das sonst ausschlaggebende Gewicht der für die Regelentscheidung maßgeblichen Gründe beseitigt wird; die Besonderheiten des Einzelfalles müssen ein Abweichen nahelegen. /6/

Entscheidet sich der Normanwender mithin für eine Abweichung von Ziff. 4.1.1, Satz 2, DIN 18014, so sollte er dieses nur in begründeten Ausnahmefällen tun.

Zu diesem hier vertretenen Ergebnis, das mit Hilfe juristischer Methoden erzielt worden ist, gelangt man nicht unbedingt mit Hilfe der DIN 820-2, Tabelle C 2. Es wurde bereits ausgeführt, daß dem im Indikativ verwendeten Hilfsverb "sollen" Begriffe als gleichbedeutend gegenüber gestellt werden, die nicht gleichbedeutend sind. Hinzu kommt, daß die Einleitung zu Tabelle C 2 nicht hinreichend deutlich macht, daß durch die Verwendung des Begriffes "sollen" ein Regel-Ausnahme-Tatbestand verdeutlicht werden soll, heißt es dort nämlich: "Die Ausdrücke in dieser Tabelle werden benutzt, um anzugeben, daß unter mehreren Möglichkeiten eine als besonders angemessen empfohlen wird, ohne andere zu erwähnen oder auszuschließen, oder daß eine bestimmte Handlungsweise vorzuziehen ist, aber nicht unbedingt gefordert wird; oder daß (in der negativen Form) von einer bestimmten Möglichkeit oder Handlungsweise abgeraten wird, sie aber nicht verboten ist." /7/

Die Ausführungen unter Tabelle C 2, DIN 820-2 erwecken bei dem unbefangenen Anwender der DIN 18014 den Eindruck, daß ohne weiteres von Ziff. 4.1.1, Satz 2, DIN 18014 abgewichen werden darf; der Anwender sollte sich besser auf die juristische Sprachschärfe verlassen.

Wenn der Normanwender, sei es der Planer, Errichter oder Bauherr, von dem Regelfall (20 m x 20 m-Fläche) abweichen möchte, dann muß er stets prüfen, ob die Funktion des Fundamenterders gem. Ziff. 3 DIN 18014 vollumfänglich durch die andere Vorgehensweise erreicht werden kann.

Hat der Auftraggeber den Wunsch, eine Ausnahme zu machen, dann entbindet dieser Umstand den Planer und Errichter nicht von seiner Pflicht, die Vertretbarkeit der Abweichung eigenständig zu prüfen. Gegebenenfalls muß er den Auftraggeber darauf hinweisen, daß die gewünschte Abweichung nicht normgerecht ist und damit einen Verstoß gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik darstellt.

Die Abweichung sollte zumindest für den internen Gebrauch begründet und dokumentiert werden. Auf die Dokumentation kann auch nach Ablauf eines unter Umständen langen Zeitraums zurück gegriffen werden, um dem damaligen Vertragspartner, Dritten oder Gerichten gegenüber das damalige Handeln begründen zu können. Besser ist es, den Auftraggeber vorher über die Abweichung zu informieren, falls dieses opportun ist.

/1/ Hervorhebung durch den Verfasser zum Abschnitt zurück...
/2/ Ziff. 4.1.1 DIN 18014 (Februar 1994) lautet:
"Der Fundamenterder ist als geschlossesener Ring auszuführen und in den Fundamenten der Außenwände des Gebäudes oder in der Fundamentplatte entsprechend anzuordnen. Bei Gebäuden mit größerem Umfang sollte die vom Fundamenterder umspannte Fläche durch Querverbindungen in Felder von etwa zwanzig Meter mal zwanzig Meter aufgeteilt werden." zum Abschnitt zurück...
/3/ Vgl. C4, DIN 820-2; 1996-09, S. 87 zum Abschnitt zurück...
/4/ Vgl. Tabelle C2, DIN 820-2; 1996-09, S. 90 zum Abschnitt zurück...
/5/ Rz. 7.1 zu § 40 VwVfG Kommentar, 6.Auflage, Knack u.a.; Rdnr. 48 zu § 40, Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, Klaus Obermayer, 2. Auflage; Anmerkung 26 zu § 40, VwVfG, Kommentar, Stelkens u.a., 5. Auflage zum Abschnitt zurück...
/6/ Rdnr. 27 zu § 40, a.a.O. zum Abschnitt zurück...
/7/ DIN 820-2; 1996-09, S.90 zum Abschnitt zurück...
 
 
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